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Unternehmenskultur
Assessment Center
Schulische und universitäre Prüfungen haben etwas artifizielles: Nie wieder im beruflichen Leben wird die Leistungsbewertung so komprimiert auf eine ganz konkrete Prüfungssituation stattfinden, ohne dass das Davor oder das Danach eine große Rolle spielt. Es gibt für Klausuren keine Entsprechung im bürgerlichen Leben.
Noch am nächsten kommen den universitären Prüfungen im Berufsleben Assessment Center bei Einstellung oder Beförderung. Doch geht es bei Klausuren um einen abgegrenzten Stoff, dessen performative Kenntnis abgefragt wird, geht es in Assessment Centern um etwas anderes: Kann der Bewerber die Erwartungen, die an ihn gerichtet sind, (1) erkennen und (2) erfüllen. Schon in der ersten Aufgabe liegt eine Herausforderung: Unterschiedliche Konzerne mit unterschiedlichen offiziell verlautbarten Unternehmenskulturen haben auch unterschiedliche Anforderungen an den Habitus ihrer Neuzugänge. Auch über Hierarchieebenen kann sich die Erwartung verschieben. Es ist die Aufgabe der Bewerber, diese Erwartungen zu (er)kennen. Und dann gilt es auch noch, diese erkannte Erwartung durch gezeigtes Verhalten spontan und womöglich in einer künstlich herbeigeführten Stresssituation auszufüllen.
Damit hat das Assessment Center zwar das artifizielle der Situation mit der universitären Prüfung gemeinsam, es werden anders als bei letzterer allerdings Fähigkeiten getestet, die für den beruflichen Erfolg maßgeblich sind: Erwartungen erkennen und erfüllen zu können, ist ein wesentlicher Eckpfeiler der Konzernkarriere. Im Prüfungsgegenstand ist das Assessment Center damit lebensnah und keineswegs artifiziell.
Re: The Trouble With Talking
Mit der Kommunikation ist das so eine Sache. Man kann nicht nicht kommunizieren (Watzlawick). Trotzdem ist Kommunikation unwahrscheinlich (Luhmann). Und dann muss man sich oft auch noch entscheiden, ob man mündlich oder schriftlich kommuniziert.
Grundsätzlich halte ich die schriftliche Kommunikation der mündlichen gegenüber für überlegen und würde den langen Text jederzeit, zumindest bei komplexen Themen, dem Gespräch oder Vortrag vorziehen. Ich teile auch die Argumente, die Kathrin Passig dazu im Merkur vorträgt, nämlich dass schriftliche Kommunikation eigentlich weniger missverständlich sei als die mündliche und auch weniger anfällig für Diskriminierung. Zwei einschränkende Anmerkungen aus dem Unternehmensalltag heraus für die Praxis will ich dennoch machen:
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Spaß bei der Arbeit
Mit Präpositionen im Deutschen ist das so eine Sache. Weil sie unterschiedliche Bedeutungen haben können, verwirren sie manchmal mehr, als dass sie eine Sache klar werden lassen. Dass die Mitarbeiter Spaß bei der Arbeit haben sollen, ist mittlerweile eine hohe Maxime der zeitgemäßen Führung. Doch gerade in diesem Satz kann die Präposition »bei« zu einem Missverständniss führen.
Der erste Gedanke ist, das »bei« zeitlich zu nehmen (ähnlich wie bei: »bei der Abfahrt des Zuges«, »bei Nacht«). Es ginge also darum, dass man während der Arbeitszeit Spaß hat. Das ist auch richtig (Spaß außerhalb der Arbeitszeit ist ganz sicher nicht gemeint), aber noch nicht präzise genug. Natürlich ist die Vorstellung reizvoll, in der Arbeitszeit in den Freizeitpark zu fahren. Dass die Kollegen mit dabei sind, ist dann ein kleiner Preis. Spaß ist dafür zwar der richtige Begriff, doch nachhaltig ist das nicht und das weiß auch jeder. Ich habe noch niemanden sagen hören: »Mein Job ist ziemlich mies, aber einmal im Jahr machen wir eine lustige Fahrt, deswegen würde ich schon sagen, dass ich Spaß bei der Arbeit habe.« So läuft es einfach nicht.
Eigentlich geht es doch darum, dass man arbeitet – also seine Zeit und Energie produktiv und zielbewusst einsetzt – und dabei auch noch, als begleitender Umstand etwas oder etwas mehr Spaß hat. »Bei« ist da die Präposition des begleitenden Umstands (etwa wie »bei größter Anstrengung«). Der Begriff »dabei« beschriebe die Sache präziser. Es geht darum zu arbeiten und dabei auch noch begleitend Spaß zu haben.
Hier aber hilft die einmal jährliche Fahrt in den Freizeitpark nicht. Sie entspricht eher einem Spaß anstelle der der Arbeit, von der man einstweilen befreit ist. Am nächsten Tag aber ist wieder Leiden angesagt.
Erfahrung heißt gar nichts.
»Training on the job« ist in der Unternehmenspraxis der wichtigste Teil der Ausbildung: Man legt einfach los mit der Aufgabe, die es zu erlernen gilt. Währenddessen komme man schon nach und nach darauf, wie es läuft. In der Praxis funktioniert das gut – sonst hätte es sich ja auch nicht durchgesetzt – ich will aber behaupten, dass der wichtigste Schritt in einer Zwischenstufe liegt.
Im Sport und bei anderen körperlichen Routinetätigkeiten mag wirklich unmittelbar gelten, dass Übung den Meister macht. Wer regelmäßig Speerwerfen übt, wird dadurch immer besser und besser. Für akademische Tätigkeiten ist der Zusammenhang aber nicht so einfach, allein vom Tun wird da noch niemand besser – man kann seine Sache auch 35 Jahre schlecht machen (Tucholsky). Der Schlüssel zur Selbstvervollkommnung liegt erst in der Reflektion über das, was man tut. Nur mit der Analyse dessen, was passiert, und im Nachdenken, wie man es noch besser machen könne, entwickelt man sich weiter. Deswegen ist auch Feedback so wichtig. Als Hilfsmittel der Analyse durch Dritte und als Anstoß zur eigenen Reflektion.
Wenn aber die eigene Reflektion das wichtigste Mittel zur eigenen Weiterentwicklung ist, bin ich doch überrascht, wie wenig dieser Prozess von Organisationen typischerweise unterstützt und forciert wird. Ich las in einem Roman mit Handlungsort China, dass der Befehlshaber seine Generäle regelmäßig Essays schreiben ließ. So weit muss man natürlich nicht gehen, auch wenn ich nicht gänzlich abgeneigt bin. Aber etwas mehr kann die Organisation da schon tun.
Die Schwerkraft ist schuld!
Schon mehrfach habe ich Menschen als Erklärung für das Scheitern von Projekten so oder so ähnlich sagen hören: »Dann sind wir in die Mühlen der Firmenpolitik geraten und dann war es vorbei.«
Ich finde das eine ziemlich merkwürdige Rechtfertigung. Es ist ungefähr so, als würden die Verantwortlichen nach einem Flugzeugabsturz darauf verweisen, das Unglück sei eben von der Schwerkraft verursacht worden. Auch wenn das zweifellos richtig ist, würde doch niemand akzeptieren, dass die Untersuchung mit dieser Erklärung endet. Es ist eben die Natur des Fliegens, der Schwerkraft zu trotzen. Erklärt werden muss, welche Ausnahmesituation, welches Versagen jetzt dazu geführt hat, dass dies nicht mehr wie vorgesehen funktioniert hat.
Ebenso verhält es sich mit der Firmenpolitik. Sie existiert einfach, ob der einzelne das möchte oder nicht – sie ist die Schwerkraft innerhalb des Konzerns, sie ist seine Natur. Der Job des Managers besteht ganz wesentlich darin, in ihr zu wirken. Wer sich darauf beruft, dass sie einfach plötzlich da gewesen sei oder sich spontan verändert habe und so das Scheitern verursacht habe, verkennt entweder gravierend die Grundvoraussetzungen seines Wirkens oder will der Debatte über die wahren Gründe des Scheiterns ausweichen.