Entscheidungs­heuristiken

Am liebsten würde man sich natürlich immer für das Richtige entscheiden. Doch in einer kontingenten Welt ist das leider nicht so einfach. Selbst was sich zuerst als richtig anfühlt, kann sich später als falsch herausstellen. Ob die französische Revolution richtig war, werde sich erst noch zeigen müssen. Es sei zu früh dies zu beurteilen, antwortete der chinesische Ministerpräsident Tschou En-lai 1972 – fast zweihundert Jahre nach dem nämlichen Ereignis. Das Richtige ist schwer auszumachen, doch viele Varianten des Falschen sind dafür umso leichter zu erkennen. Deswegen bleibt es trotzdem dabei: Die erste Heuristik ist die der Unterscheidung zwischen richtig und falsch. Es gibt für jedes Problem eine Lösung ohne zu schummeln – im Alltäglichen meistens sogar mehrere. Den Lösungsraum so schon einmal eingeschränkt, wird es allerdings komplizierter.

Die zweite Heuristik ist die des Nützlichen: Unter allem, das richtig scheint, gibt es solche Lösungen, die zusätzlich noch nützlich sind, die also abseits der konkreten Frage in anderen Zusammenhängen Vorteile generieren, wo andere Wege Nachteile verursachen. Natürlich sind erstere vorzuziehen. Doch auch im Nützlichen waltet wieder Kontingenz. Der Lösungsraum wird also nur weiter verkleinert, die Entscheidung bleibt weiterhin offen.

Bleibt die dritte Heuristik: Die des Schönen. Womöglich dreht sich die Sonne auch um die Erde, aber die mathematischen Gleichungen für ein Drehen der Erde um die Sonne sind einfach die eleganteren. Und ist man ehrlich zu sich selbst, so ist die Entscheidung über das Schöne meistens die einfachste und klarste Heuristik.

Geschrieben im September 2023 | Kategorie: Betrachtungen