Toga-und-Kurzschwert-Romanze
Natürlich stimmt es, dass der Film eine Toga-und-Kurzschwert-Romanze ist. Doch diese Erkenntnis ändert nichts daran: »Gladiator« ist ein Meisterwerk. Nicht weil er eine ungewöhnliche Geschichte erzählt. Nein, der Film ist es gerade, weil hier ein klassisches Erzählmuster von Fall, Wiederaufstieg und Erlösung erzählt wird – aber auf die grandioseste Art und Weise.
Der Anfang ist schnell erzählt: Ein siegreicher General (Russel Crowe), dem alten Kaiser eng verbunden, wird Opfer einer Intrige des Thronfolgers Commodus (Joaquin Phoenix) beim Ableben dessen Vorgängers. Die Familie des Generals wird ermordet, er selbst wird zum gebrochenen Sklaven. Es ist der tiefstmögliche Fall. Wir sind hier im Kino, nicht im europäischen Film. Fall und Wiederaufstieg werden nicht durch Kontaktabbruch und -wiederaufnahme zur Mutter markiert.
Natürlich verläuft der Wiederaufstieg in »Gladiator« genauso extrem wie der Fall. Das dazugehörige Bild: Russell Crowe reitend auf einem weißen Pferd, mit seinem Kurzschwert seine Soldaten zu einem großen Sieg und Ehre kommandierend. Und wie genial ist komponiert, dass sich dieses Bild in wenigen Minuten ausrollen lässt: Als Sklave wird Crowe zum Gladiator, erst lustlos kämpfend, als aber seine Mitgladiatoren und er zu Commodus' Unterhaltung im Kolloseum (wo auch sonst?) dahingemetzelt werden sollen, ist der General wieder da. Eben noch lauter Einzelkämpfer, angesichts des Todes kämpfen die Gladiatoren jetzt vereint – unter seinem Kommando. Wo kommt das Pferd her? Streitwagen sind es, die die Gladiatoren abschlachten sollen – mit ihnen kommen Pferde ins Bild. Durch Geschlossenheit und überlegene Taktik zerstören entgegen der Logik der Waffenaufstellung Crowes Gladiatoren die Streitwagen und gewinnen das Gefecht, begleitet von Hans Zimmers Musik, damals als dieser noch so komponiert hat, dass die Bewegtbilder nicht zur Bebilderung des alles überstrahlenden Tons degradiert wurden und Schauspielern das Erstarren als Statue als einzig mögliche Reaktion erspart blieb. In »Gladiator« passt alles: Crowe sitzt endlich auf einem der Pferde, natürlich ein weißes, und die Massen jubeln ekstatisch.
Hier könnte die Szene vorbei sein und sie wäre schon so großartig. Regisseur Ridley Scott setzt aber noch einen drauf: Bisher unwissend, wer da unten kämpft, wird Commodus neugierig. Er will den siegreichen Anführer sprechen. Prätorianer umstellen die Gladiatoren, Joaquin Phoenix steigt von der Tribüne herab in die Arena. Protagonist und Antagonist stehen sich Auge in Auge gegenüber. Und wie großartig Phoenix die Szene spielt. Eben noch kindisch unterhalten vom überraschenden Sieg (»I rather enjoy surprises«), erkennt er nach einigem hin und her, wer vor ihm steht. Sein Unterkiefer bebt, er will sein Werk zu Ende bringen und töten, was er getötet zu haben glaubte. Die Prätorianer stehen bereit, sie würden es auf seinen Befehl hin vollenden. Und doch kann er nicht. Nach innerem Ringen bricht er ab. Der Jubel der Massen schützt die Gladiatoren. Welch' Niederlage für den vermeintlich allmächtigen Kaiser. Doch genauso verfährt der Film mit Crowe: Obwohl mit überbordendem Rachedurst (»I will have my vengeance, in this life or the next!«) ebenso ausgestattet wie mit einem Mordwerkzeug – einer in seiner Hand verborgenen Pfeilspitze –, kann auch er sein Werk nicht vollenden: Der ihm lieb gewonnene Neffe Commodus’ ist mit hinabgestiegen und steht vor seinem Onkel. Beide jeweils mit dem Mittel zum Mord auszustatten und sie zugleich an dessen Verwendung zu hindern: Grandios.
Natürlich kommt Crowe später doch noch zu seiner erlösenden Rache und Commodus geht unter – wir wissen, wie amerikanische Filme enden. Doch auch das geschieht wie der ganze Film im Stil so amerikanisch, wie es nur geht, seinen Kunstcharakter verbergend, und zugleich genial komponiert. Viel mehr Kino geht nicht.