Dissertation: »Glasfaserausbau im deutschen Telekommunikationsmarkt«
2022 wurde ich mit einer Dissertation, die sich mikroökonomisch mit dem Telekommunikationsmarkt und hier speziell dem Glasfasernetzausbau auseinandersetzt, zum Doktor der Wirtschaftswissenschaften (»Doctor rerum oeconomicarum«) promoviert.
Eine schnelle Internetanbindung für Haushalte und Unternehmen in Deutschland ist von der Politik als ein wesentlicher Treiber für die Wettbewerbsfähigkeit des Landes im 21. Jahrhundert erkannt worden. Die wirtschaftliche Entwicklung hinge dabei erheblich davon ab, mit einer entsprechenden Anbindung die Digitalisierung voranzutreiben. Absehbar würden aber die Bandbreiten, die auf dem heute dominierenden DSL- beziehungsweise Kupfernetz erreicht werden, nicht mehr ausreichen, um den steigenden Bandbreitenhunger neuer Dienste, wie Cloud-Anwendungen bei Unternehmen oder »Virtual Reality« bei Privatkunden, zu bedienen.
Die Antwort der Politik darauf lautet seit mehreren Jahren: Deutschland müsse flächendeckend mit einem neuen Glasfasernetz versorgt werden. Trotzdem ist erst eine vergleichsweise geringe Anzahl an Haushalten mit einem Glasfaseranschluss ausgestattet. Bisher wurden rund zehn Prozent der Haushalte, also rund vier Millionen, mit Glasfaser angebunden und erst in rund 1,5 Millionen dieser Haushalte wird der Glasfaseranschluss auch aktiv genutzt. Daher gibt es in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion darüber, wie hier gegengesteuert werden könnte. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien von 2017 nimmt das Thema erheblichen Raum ein. So sollten Fördergelder in zweistelliger Milliardenhöhe bereitgestellt werden. Im Koalitionsvertrag der neuen Regierungskoalition von 2021 wird das Ziel einer »flächendeckenden Versorgung mit Glasfaser« erneut verkündet.
Das Erreichen dieses Ziels ist allerdings mit erheblichen Investitionsaufwänden verbunden. So wird geschätzt, dass das Errichten einer Glasfaserinfrastruktur in Deutschland mehr als 70 Milliarden Euro kosten wird. Dabei unterscheiden sich die Ausbaukosten je Haushalt erheblich, abhängig davon, ob der Ausbau im städtischen oder ländlichen Raum erfolgt. Gleichzeitig ist die zusätzliche Zahlungsbereitschaft der Endkunden für noch höhere Bandbreiten, als mit den heute bestehenden Netzen erreicht werden können, begrenzt. Mit dem Start des Ausbaus zu warten, bis eine Zahlungsbereitschaft entstanden ist, sei allerdings auch keine Option, da der Ausbau ob des mit ihm verbundenen Aufwands viele Jahre in Anspruch nehmen würde und in der Folge noch verspäteter abgeschlossen wäre.
Unternehmen, die sich mit der Frage beschäftigen, einen Glasfaserausbau durchzuführen, stehen ebenfalls vor enormen Herausforderungen: Es muss eine gewaltige Investition gestemmt werden, deren Amortisation sich über Jahrzehnte hinziehen kann. Gleichzeitig unterliegt die Marktentwicklung über so lange Zeiträume erheblicher Unsicherheit: Werden die Endkunden in Zukunft wirklich eine entsprechende Nachfrage und Zahlungsbereitschaft für hohe Bandbreiten entwickeln? Werden Regulierungseingriffe – Telekommunikationsmärkte haben grundsätzlich eine monopolistische Tendenz, deren nachteilige Wirkung der Staat durch Regulierungseingriffe abzuschwächen versucht – die Wirtschaftlichkeit der Investition später untergraben? Oder werden womöglich gar neue Technologien das Glasfasernetz überflüssig machen?
Zusätzlich – als wäre das nicht genug – entstehen Glasfasernetze nicht im luftleeren Raum. Die meisten potenziellen Endkunden beziehen heute bereits einen Internetdienst, der auf einer anderen Infrastruktur als dem Glasfasernetz realisiert wird. Mit diesen bestehenden Infrastrukturen tritt das neue Glasfasernetz in den Wettbewerb. Jedes von diesen Netzen war bei Errichtung mit hohen Investitionsaufwänden verbunden, heute im Betrieb sind die Kosten aber niedrig. Zudem werden die Eigentümer der bestehenden Infrastrukturen wahrscheinlich nicht stillhalten: Auch sie können mit ihrem Wettbewerbsverhalten, insbesondere ihren Preissetzungen, auf die Wirtschaftlichkeit der Glasfaserinvestition erheblichen Einfluss nehmen – und das sicherlich nicht zum Vorteil der neuen Konkurrenz. Die Gefahr eines destruktiven, Investitionen verhindernden Infrastrukturwettbewerbs ist greifbar.
Es stellt sich die Frage, ob dieser Infrastrukturwettbewerb nicht vielleicht sogar das größere Hindernis auf dem Weg zu einem flächendeckenden Glasfaserausbau darstellt.